Antwort an die SPD-Ratsfraktion mit Stellungnahme zur Situation in der Göttinger Innenstadt (u.a. Fahrradabstellanlagen, Erreichbarkeit der City, Durchgangsverkehr, Sondernutzungsflächen der Gastronomie, Sauberkeit des Innenstadt-Pflasters)
Sehr geehrter Herr Wedrins, sehr geehrter Herr Grothey, sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 22. November 2022 bezüglich unserer Kritik an den neuen Fahrradabstellanlagen auf Autostellplätzen in der Theaterstraße u.a.. Wir freuen uns, dass Sie nachfragen und uns so die Gelegenheit geben die Gründe für unsere Verärgerung zu erläutern, die in dem Artikel im Göttinger Tageblatt nur sehr verkürzt wiedergegeben wurden. Vorab möchten wir noch einmal betonen, dass wir uns unverändert für die gute Erreichbarkeit der Göttinger Innenstadt für alle Verkehrsteilnehmer einsetzen. Dazu gehören selbstverständlich auch Fahrradfahrer und für diese Anlagen, an denen Fahrräder sicher und geordnet abgestellt werden können.
Die Fahrradabstellanlagen, die kürzlich u.a. in der Theaterstraße aufgestellt wurden, beruhen auf dem Fahrradabstellkonzept aus dem Jahr 2012. Als dieses seinerzeit verabschiedet worden war, sind der damalige Pro City e.V. Vorsitzende, Philipp Bremer, Robert Vogel, Vorstandsmitglied Pro City e.V., Thomas Dienberg, damaliger Stadtbaurat Göttingens, Sören Koos und Beate Behrens sämtliche geplanten Standorte innerhalb des Walls abgelaufen und haben über die konkreten Standorte der Fahrradabstellanlagen beraten und Einvernehmen hergestellt. Ziel war es, durch die Installation der Abstellanlagen, so wenig Autoparkplätze wie möglich zu verlieren. In der Theaterstraße war z.B. eine Abstellanlage nur auf einem Parkplatz vorgesehen.
Auch wenn die Umsetzung des Fahrradabstellkonzepts über 10 Jahre gedauert hat, sind unsere Ziele und nach unserem Verständnis auch unsere Vereinbarung unverändert gültig. Außerdem ist uns von unserer Oberbürgermeisterin erst kürzlich wieder öffentlich versprochen worden, dass weitere Parkplätze innerhalb des Walls erst gestrichen werden, wenn Alternativen geschaffen worden sind. Des weiteren wurde im Zuge der Diskussion über die Abschaffung der Parkschleife Theaterstraße/ Burgstraße/Friedrichstraße im Bauausschuss von Frau Binkenstein betont, dass natürlich erst Parkplätze wegfallen, wenn andere Möglichkeiten geschaffen worden sind. Im betroffenen Bereich sind seitdem ca. 8 Parkplätze gestrichen worden, in der gesamten Innenstadt ca. 60. Da sich die Verwaltung bei der Errichtung nicht an unsere Abmachung gehalten hat und uns bisher auch keine alternativen Autoabstellmöglichkeiten innerhalb des Walls bekannt sind, sind wir über das Vorgehen tatsächlich verärgert.
Andere Möglichkeiten mit dem PKW die Innenstadt zu erreichen, wie Park & Ride an Adventssamstagen, werden mit Hinweis auf den Krankenstand bei der GöVB nicht angeboten. Es gibt also aktuell weder alternative Parkmöglichkeiten noch alternative Möglichkeiten für Menschen, die auf ein Auto angewiesen sind, beispielsweise aus dem Landkreis, in die Stadt zu kommen. Dass die Nichteinsicht der Verwaltung und der Politik zum Schwund der von allen geliebten inhabergeführten Fachgeschäften in der Innenstadt führt, kann man zurzeit unter anderem am Beispiel des Schuhhaus Frölich sehen. Alle seine Geschäfte waren von Corona, Homeoffice etc betroffen. Doch nur der Göttingen Standort wird geschlossen. Der Hinweis im GT-Artikel, dass es in Göttingen nicht genug Parkplätze für Kunden gibt wird nicht zur Kenntnis genommen.
Wir haben den Eindruck, dass bei Vielen in Politik und Verwaltung nach den Wahlen das interesse an der Zukunft der Göttinger Innenstadt stark nachgelassen hat, obwohl die Lage durch Krieg und Inflation mindestens so prekär wie während der Corona Pandemie ist. Hier nur ein paar wenige ausgewählte Beispiele:
- Wieso wurden in den letzten Wochen sämtliche Paketdienstleister mit Sonderdurchfahrtsgenehmigungen für die Fußgängerzone ausgestattet, obwohl es doch unser gemeinsames Ziel war, diese aus der Fußgängerzone zu verbannen?
- Wieso wird ein pragmatischer und kostengünstiger Vorschlag den illegalen Durchgangsverkehr auf Teilen des Busrings zu verhindern (Umkehr der Einbahnstraße in der Kurzen Geismar Straße) nach mehreren Anläufen abgeschmettert, weil er einem Ratsbeschluss aus dem letzten Jahrhundert widerspricht? Dies war Teilen der Verwaltung bekannt, als der Vorschlag gemacht wurde. Wurde dieses Totschlagargument” mit Absicht verschwiegen? Soll keine Verbesserung herbei geführt werden?
- Wieso wird die Einhaltung der Sondernutzungssatzung der Stadt, nachdem die Einschränkungen der Corona-Pandemie aufgehoben wurden, nicht durchgesetzt (z.B. ausufernde Außenbestuhlung nun auch mit Heizpilzen, ungenehmigte und ungeahndete Außenwerbung am Wilhelmsplatz)?
- Wieso werden die Bewohner im Umkreis des Wilhelmsplatzes nicht nachdrücklich vor nächtlichem Lärm geschützt, wenn es doch das Ziel ist, noch mehr Menschen in Wohnraum in der Innenstadt zu locken? Es gibt bereits eine Abwanderungsbewegung der dort lebenden Menschen, die mit großem Bedauern Ihre Wohnungen aufgeben. Unter den gegenwärtigen Bedingungen, kann man dort gerade als Familie nicht mehr wohnen.
- Wieso wird trotz vielfacher Beschwerden nichts gegen den Dreck auf dem Pflaster in der Fußgängerzone unternommen? Der Dreck in der Fußgängerzone kann laut GEB nicht entfernt werden, da eine Nassreinigung in der gegenwärtigen Satzung der GEB nicht vorgesehen ist. Die Suche nach einer Lösung für dieses Problem wurde mit Hinweis auf die satzungsgemäße Reinigung abgelehnt, eine Satzungsänderung oder -ergänzung mit dem Ziel die Sauberkeit des Pflasters zu verbessern weder von der Verwaltung noch von der Politik in Erwägung gezogen
- Die Einführung der PARCO App für Göttingen als Anfang einer Mobilitätsapp und eines Parkleitsystems erscheint uns sehr merkwürdig. Eine App zur Parkplatzsuche, die ich während der Fahrt nicht nutzen darf? Eine App, mit der ich den Parkplatz nicht bezahlen kann? Da wird in Göttingen eine zweite App benötigt. Aktuell erhält man meistens die Meldung: In diesem Bereich findest Du keinen Parkplatz den Du mit PARCO bezahlen kannst.” Der Suchbegriff Innenstadt Göttingen”, der vermutlich häufiger von Besuchern der Innenstadt eingegeben wird, führt zum Parkhaus Hospitalstraße. Wir freuen uns auf die Schlange davor…
- Die bevorstehende Anhebung der Parkgebühren in Kombination mit der Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung stellt viele Menschen aus dem Umland, die in der Innenstadt arbeiten, vor riesige Probleme. Wer früh morgens anfängt zu arbeiten oder in weiter entlegenen Orten wohnt, hat oft keine Möglichkeiten mit dem ÖPNV zur Arbeit zu fahren. Er hat in Zukunft auch keine Möglichkeit mehr seinen PKW zu wirtschaftlich sinnvollen Konditionen abzustellen. Er wird sich einen neuen Arbeitsplatz suchen müssen.
Wir finden diese Entwicklungen äußerst besorgniserregend.
Die Zukunft der Göttinger Innenstadt steht auf tonernen Füßen. Die Politik und die Verwaltung sollten die Einwände der Betroffenen, die in der Göttinger Innenstadt leben, arbeiten und verweilen und dies auch in Zukunft gerne tun möchten, ernst nehmen. Die Innenstadt zukunftstauglich zu machen und den ökologischen Aspekt nicht aus den Augen zu verlieren ist möglich. Dazu müssen die Entscheider auch mal die einge rad fahrenen Denkschemen verlassen und auch mal, auf den ersten Blick ungewöhnliche, Lösungen zulassen.
Wir freuen uns über den weiteren Austausch mit Ihnen zu diesen und allen anderen Themen rund um die Göttinger Innenstadt.
Mit freundlichen Grüßen
Der Vorstand des Pro City e. V.